Spur der Steine

Ein paar persönliche Gedanken von mir zum Buch Spur der Steine von Erik Neutsch.

Zunächst ist es für mich immer noch wundervoll, dass „Spur der Steine“ bei den Menschen nicht vergessen ist. Das Buch spiegelt einen Abschnitt der DDR-Geschichte wieder. Wer sich hierfür interessiert, sollte es lesen.

Entstehung des Romans Spur der Steine

Mit dem Roman und besonders der Person „Balla“ bin ich sozusagen aufgewachsen. 1960 wurde mein Vater als Schriftsteller freischaffend. Er blieb zu Hause und schrieb in seinem Arbeitszimmer an seinem großen Schreibtisch. Gerade war ich sechs Jahre alt und kam in die Schule. Meine Mutter war Lehrerin in der gleichen Schule. Für mich war es eine sehr prägende Zeit, auch wenn ich zu Hause natürlich nie Lärm machen durfte. Es hieß immer: „Pst, leise, Papi arbeitet.“ Für mich war das Normalität.

Abends saßen meine Eltern oft zusammen. Mein Vater las dann aus seinen Manuskripten vor. Meine Eltern hörte ich dabei diskutieren… Meine Mutter schrieb auf der Schreibmaschine den gesamten Roman ab. Dabei las sie Korrektur.

Dann kam das Buch „Spur der Steine“ heraus. Das heißt, zunächst wurde es im April 1964 ohne Inhalt auf der Zweiten Bitterfelder Konferenz jedem Teilnehmer ausgehändigt.

Ich habe noch solch ein Exemplar. Das Buch hatte natürlich auch einen anderen Schutzumschlag. Und da fällt mir ein, es gab auch Diskussionen über die verschiedenen Schutzumschläge und über die gesamte Aufmachung des Buches. Es war für mich eine wirklich prägsame Zeit als Kind. Ich möchte diese Zeit für nichts auf der Welt hergeben.

Spur der Steine blieb nach seiner Veröffentlichung beliebt. Verkäufe fanden unter dem Ladentisch statt. Auf Buchbasaren stand man schon vor der Zeit, um den Roman und später auch die anderen Bücher meines Vaters zu erwerben. Ich war bei einigen Basaren anwesend und bestaunte diesen Ausverkauf. Ich sah das Buch leider nie in den Bücherregalen. Es war immer ausverkauft!

Spur der Steine als Film

Der Roman Spur der Steine wurde dann verfilmt. Das Entstehen des Films erlebte ich mit. Dabei lernte ich die Filmemacher kennen. Teilweise fuhr ich mit meinen Eltern dafür mit nach Berlin. Auch Manfred Krug besuchte uns zu Hause. Ich erinnere mich noch gut, dass er damals bei uns die Treppe heruntergefallen war. Meine Mutti hat die Stufen zu sehr geputzt.

Zur Premiere des Films in Halle/Saale durfte ich mit meinen inzwischen 12 Jahren dabei sein.

Die Aufführung verlief ohne Störungen. Darüber waren wir erleichtert. Meine Eltern sagten mir damals, dass, wenn etwas passieren sollte, wir dann ganz schnell aus dem Kinosaal gehen müssten. Die Zuschauer waren jedoch begeistert und klatschten Beifall. Es wurde viel gelacht! Es gab keinerlei Störungen.

In Halle an der Saale lief der Film 7 Tage lang. Dafür hatte Horst Sindermann gesorgt. Auch das Zimmermannorchester spielte natürlich draußen.

Nach der Filmprämiere bekam ich oft die Frage gestellt: „Warum wurde denn der Film verboten?“ Ich wusste dazu damals keine logische Antwort. Und mein Vater äußerte sich dazu für mich auch nicht so richtig.

Meine Beziehung zu Spur der Steine

„Spur der Steine“ blieb für mich immer das beste Buch meines Vaters. Das wusste er auch von mir.

Während meiner Schulzeit spielte „Spur der Steine“ als Auswahlliteratur in der Oberschule (EOS) eine Rolle. Von meiner Deutschlehrerin wurde ich bestimmt, über diesen Roman zu sprechen. Natürlich half mir mein Vater bei der Vorbereitung. Unsere Gespräche aus dieser Zeit sind mir eine schöne Erinnerung. Geschichtliche Zusammenhänge, die materialistisch-dialektische Philosophie und das aktuelle Geschehen spielten dabei eine aufregende Rolle.

Dabei entstand bei mir ein tiefes Verständnis für seine Art des Schreibens. Und ich bin froh, und denke gern zurück, dass ich solche Momente mit meinem Vater erleben durfte.

Neulich stolperte ich erst über die noch von meinem Vater angekreuzten Stellen im Roman, die ich damals in meiner Doppelstunde Deutschunterricht vorgelesen hatte.

Ich schrieb auch über „Spur der Steine“ in meinem Abituraufsatz. Inhaltlich bekam ich dafür nur die Note 2. Die Deutschlehrerin sah die Dreiecksbeziehung zwischen den drei Hauptfiguren anders. Also anders als ich, die es ja vom Autor besser wusste. Auch das war für mich ein einprägsames Erlebnis.

Spur der Steine trägt diverse biografische Züge (Erlebnisse). In diesem Buch stand in der DDR-Literatur erstmals ein Arbeiter im Mittelpunkt des Geschehens.